Gründungsvater Helmut Becker im Interview


Köln, 17. November 2020. Als Deutschland 1990 wiedervereinigt wurde, spürten die in der ehemaligen DDR ansässigen Lackierbetriebe deutliche Veränderungen. Der Kölner Lackhersteller Spies Hecker ging bei der Erschließung des Marktes daher neue Wege - indem das Unternehmen mehr als nur Lack anbot. Somit erblickte Ende 1990 der Profi-Club mit seinen Seminaren, Schulungen und Treffen das Licht der Welt. Einer der Geburtshelfer: Helmut Becker, Gründungsvorstand und über ein Jahrzehnt Geschäftsführer des Profi-Clubs.

Herr Becker, wie war die Situation in den K+L-Betrieben in der damaligen DDR zur Wendezeit?
Von freier Marktwirtschaft und Wettbewerb war naturgemäß keine Rede: Die Inhaber öffneten ihre Betriebe einmal im Quartal. Die Kunden campierten regelrecht vor den Werkstätten, damit sie auf jeden Fall an die Reihe kamen. Für uns nicht vorstellbar, aber nicht der Inhaber musste um die Kunden werben, sondern umgekehrt. Dann wurde der Betrieb wieder drei Monate zugesperrt, die Reparaturen wurden ausgeführt und danach ging das Spiel wieder von vorne los.

Und auf einmal kam das Ende der Planwirtschaft und jeder musste sich mit seinem Betrieb dem Wettbewerb stellen.
Ganz genau. Dazu kam, dass auf einmal ganz neue Modelle auf den Straßen unterwegs waren. Renault zum Beispiel war extrem stark vertreten – aber wann hatte jemals ein DDR-Betrieb einen Renault repariert? Ihnen musste regelrecht in die neue Welt hineingeholfen werden. Die Hersteller unterstützten hier natürlich mit Schulungen, aber es gab so viel Wissen nachzuholen, dass wir hier unsere Chance sahen.

Die Chance worauf?
Marktführer in der Autoreparaturlackbranche der gesamten Bundesrepublik zu werden – das war die Vision des leider früh verstorbenen Dieter Nixdorf, damaliger Vertriebsleiter von Spies Hecker. Meine Frau hatte schließlich die Idee, einen Verein zu gründen, in dem wir diese nötige Wissensvermittlung organisiert haben und der dann zu einem Spies Hecker Fan-Club wurde. Das hieß in einem ersten Schritt, dass die Spies-Hecker Kundenberater quer durch die neuen Bundesländer gefahren sind und die Betriebe besucht und für den Profi-Club geworben haben. Wir haben dann auf Seminare gesetzt, die wir äußerst schnell konzipiert haben. In den ersten vier Wochen haben wir wöchentlich ein Seminar abgehalten, danach monatlich. Die Seminare gingen über zwei Jahre.

Ging es immer ums Lackieren?
Nein, zunächst ging es vor allem um betriebswirtschaftliche Dinge. Zum Beispiel: Wie schreibe ich Rechnungen? Wie muss gebucht werden? Brauche ich einen Steuerberater? Welche Preise kann ich verlangen? Was ist bei Personal und Arbeitsrecht zu beachten? Welche Versicherungen brauche ich? Wie geht Marketing? Und dann ging es natürlich auch ums Lackieren – Applikation in mehreren Schichten war für die DDR-Betriebe ein ganz neues Feld.

Was hatte der Profi-Club für die Betriebe im Westen im Angebot?
Das Angebot war für die Betriebe in den neuen und in den alten Bundesländern gleich. Es wurde Schritt für Schritt ausgebaut. Da gab es dann Werkstattplanung, Qualitätsmanagement mit ISO 9001, Standortanalysen, ein Umweltpaket, Softwareberatung, juristische Beratung durch den Club-Anwalt oder einen Praxiskurs zum Aufbau einer Karosserieabteilung. Das kam sehr gut an. 1995 hatte der Profi-Club schon fast 2.500 Mitglieder.

Sie haben selbst Seminare gehalten und waren zwölf Jahre Geschäftsführer des Profi-Clubs.
Das ist richtig und das war eine spannende Zeit. Anfang des neuen Jahrtausends, zwei, drei Jahre nach dem Tod von Dieter Nixdorf, der in der gesamten Branche als Lichtgestalt galt, änderte sich bei Spies Hecker die Strategie zum Thema Profi-Club. Der neue Eigentümer DuPont verfolgte ein anderes Konzept. Damit ging auch meine Zeit beim Profi-Club zu Ende. Ich habe die Geschäftsführung niedergelegt. Rückblickend kann ich sagen, dass diese zwölf Jahre eine Zeit waren, für die ich sehr dankbar bin und an die ich gerne zurückdenke.